Besinnliches:

Hundespaziergang zu Weihnachten

Ein kleiner Hund aus gutem Haus,
der riss an Weihnachten einst aus.
Einen Spaziergang fand er labend,
besonders grad am Heil'gen Abend,
wenn alle Menschen sind in Eile
und Hunde haben Langeweile.

Zunächst lief er durch seinen Garten
und wollte auf das Frauchen warten.
Das kam nicht heim - so lief er fort.
Trollt sich gemächlich durch den Ort,
verbellt ein bisschen Prinz und Rexi,
besucht dann freundlich Nachbars Hexi.

Kurz: Er genießt nach Hundeweise
'ne munt're kleine Weihnachtsreise.
Vergnügt strolcht er auch übern Markt,
wo sonst sein Frauchen öfters parkt.
Doch als er nun nach Hause wollte,
wusst' er nicht mehr, wohin er sollte.

Dem kleinen Hund wird bang zumute.
Er senkt die Ohren, klemmt die Rute
tief zwischen seine Beine ein.
Wie gern würd' er zu Hause sein
in seinem warmen Hundebett.
Die Menschen hier sind gar nicht nett!

Schon naht von fern ein Polizist.
"Der wird mich fangen, so ein Mist!"
Das kleine Hundchen rennt und rennt,
bis es nicht Weg und Steg mehr kennt.
Längst ist es aus der Stadt hinaus -
vorbei am allerletzten Haus.

Da plötzlich hört der kleine Schlingel
den Klang von Hufen und Geklingel.
Und sieht im Lichtglanz einen Schlitten,
der kommt wie aus des Himmels mitten
und wie aus einem großen Tor
klingt Lachen und Musik hervor.

"Freut euch, ihr Menschen auf der Erden,
euch soll das Fest der Weihnacht werden
mit Glück und Freude und Geschenken
will euch das Christkind jetzt bedenken!"
"Wer denkt in dieser frohen Stunde
an arme, heimatlose Hunde?"

So bellt und jault das Hündchen kläglich.
"Ein kleiner Hund? Ja, ist das möglich?"
Schon naht sich ihm mit schnellen Schritten
das Christkind selbst vom gold'nen Schlitten
und nimmt ihn freundlich auf den Arm.
"Nun hast du's hier erst einmal warm.

Ich bring dich in den Hundehimmel,
du glaubst gar nicht, welch ein Gewimmel
von netten Hunden wird dort warten
im wunderschönen Himmelsgarten."
Das Hündchen lässt sich gerne tragen,
doch fragt's: "Was wird mein Frauchen sagen?"

Es jault auf einmal ganz erschreckt:
"Wenn es jetzt, dass ich weg, entdeckt?
es denkt doch gleich, ich bin gestorben.
Und dann ist ihm das Fest verdorben.
Im Himmel wär' es sicher schön,
doch Christkind, das musst du verstehn,

mein Frauchen, das mich zärtlich liebt,
wär' sicher all zu sehr betrübt."
Das Christkind lächelt und es nickt.
"Du weiß, was sich für Hunde schickt.
Des Hundes Liebe ist die Treue.
Drum bringe ich dich jetzt aufs Neue

zu deinen Menschen schnell nach Haus.
Und dann reißt du nie wieder aus."
Der Schlitten fliegt mit Schellenklang
den Waldweg und die Straß' entlang.
Dem Hündchen ist es wie ein Traum.
Schon sitzt es unterm Weihnachtsbaum.

"Da ist ja unser Strolchi wieder",
ruft Frauchen, und die Weihnachtslieder,
die klingen fröhlich jetzt und heiter,
das Christkind, das fährt leise weiter....

(von J. Ellis, übersetzt von E. Wittwer) 

Der alte Hofhund

Harro, der Schäferhundmischling, war so etwa zwölf bis sechzehn Jahre alt. Genau wußte das niemand. Der Hund, dessen Fell inzwischen schon stumpf und glanzlos war, gehörte seit langer Zeit zum festen Inventar des großen Bauernhofes. Zuverlässig, wie Hunde sind, hat er über Jahre hinweg seinen Wachdienst verrichtet. Lob und Liebe hat er dafür nur im geringen Maße erhalten, eine besondere Verbindung Mensch Tier hatte sich nicht entwickelt. Dies ist nicht erstaunlich, da man früher auf dem Lande die Tiere in erster Linie nach ihrem Nutzwert beurteilte. Wirklich innige Tierliebe entstand nur selten. Selbstverständlich, der Hund hatte seinen Nutzwert. 

Als pflichtbewußter Wachhund hatte er einen anerkannten Stellenwert. Er durfte schon mal mit hinaus zum Feld, wenn der Bauer seine Kontrollgänge machte. Das war eine große Anerkennung für den Hund. Spielen, oder Streicheln waren für Harro jedoch rare Seltenheit. Der Hund war meist sich selbst überlassen. Er hatte eine feste Hütte, regelmäßiges Fressen und freien Auslauf, wenn das mauerumrandete Gehöft am Abend verschlossen wurde. Tagsüber war seine Bewegungsfreiheit durch eine lange Metallkette eingeschränkt. Das war notwendig, denn Harro duldete keine Fremden, die sich innerhalb der Grenzen des Bauernhofes aufhielten. Mit scharfem Gebell meldete er am Tage die Besucher an und wenn nachts ungebetene Gäste versuchten Haus oder Hof zu betreten, so gab es für sie keine Chance gegen die Wachsamkeit von Harro. Auch heute noch ist es so, obwohl Harro längst nicht mehr stark und gelenkig ist, wie in seinen frühen Hundejahren. Doch Pflichtgefühl und Kampfbereitschaft dominieren immer noch, wenn sich unbekannte Bewegungen im Hofgeviert ergeben. Da spürt Harro nicht den Rheumaschmerz, der seine Knochen an kühlen Tagen durchzieht. Da überwindet er das Hinken des rechten Hinterlaufes, den er sich vor Jahren in einer landwirtschaftlichen Maschine eingezwängt hat. Sein Bellen erscheint heute nicht mehr so scharf wie früher, doch in Gefahrenmomenten, wenn er giftig knurrt und dabei seine grau gewordene Schnauze vor Aufregung zittert, muß sich auch heute noch jeder, gleich ob Tier oder Mensch, vor Harro, dem alten Wächter des Hofes fürchten. Doch was wird sein, wenn er noch schwächer, sein Gebiß kraftlos und sein Gehör noch weniger aufnahmefähig wird? Er wird ersetzt werden durch einen jungen, kraftstrotzenden Wachhund und seine Dienste, die man als selbstverständlich hinnahm, werden rasch vergessen sein.

Vielleicht hat er, der Hund, Glück und er erhält sein Gnadenbrot. Obwohl, Dankbarkeit ist nicht das, was Darm in seinem Hundeleben erfahren hat. Die Menschen gaben ihm das Notwendigste, mehr jedoch nicht. An großen Feiertagen, wie auch jetzt zum Weihnachtsfest, da gab es für Harro schon mal eine extra Portion, einen saftigen Knochen oder gar eine Hundewurst. Doch niemals durfte er das Haus betreten, geschweige denn gar am wärmenden Kachelofen liegen. Gerade das hätte seinen müden, rheumageplagten Gelenken doch so gut getan.
Einmal an einem kühlen, regnerischen Herbsttag hat er versucht, getrieben vom Schmerz, sich die fehlende Wärme im Haus des Bauern zu holen. Unverständlich war für Harro, dass man ihn, den treuen Wächter von Haus und Hof, sofort wieder hinausgejagt hat, in die Kühle der ersten, frostigen Tage.

Auch heute war es wieder ein klirrend kalter Wintertag. Der eisige Wind ließ sich auch nicht von den stabilen Brettern von Harms Hundehütte abhalten. Obwohl er sich eng zusammengerollt hatte konnte sich der Hund nicht erwärmen. Er stand auf, er musste sich bewegen, denn der Schmerz des Rheumas und der Abnutzungserscheinungen war heute besonders unerträglich. Wehmütig blickte er hinüber zum Haus, aus dessen Fenstern behagliche Wärme blinkte. Harro spürte es, dieser Abend war anders, nicht vergleichbar mit den sonstigen Tagen. Seltsame, friedvolle Stimmung lag nicht nur über dem Bauernhof, sondern strahlte über die gesamte Ortschaft. Kein Motorenlärm, kein Wirtshausgeplärr störte die geruhsame Stille. Harro, der mit den Jahren sensibler geworden war, der kleinste Schwingungen und Stimmungen intensiv in sich aufnahm, fühlte etwas von der Liebe und Behaglichkeit, die heute Nacht das Dorf umgab. Diese Stimmung veranlaßte Harro etwas zu tun, was er in seinem gesamten Hundeleben noch nie getan hatte. Harro verließ zum ersten Male seinen Wachposten. Instinktiv spürte er, daß heute keinerlei Gefahren lauerten. Durch eine Nische im Bretterzaun des Gartens zwängte er sich hinaus und lief quer über das beackerte, schneebedeckte Feld, hinüber zum Dorfrand. Er hinkte wieder ein wenig, als er die kleine Nebenstraße erreichte. Es war für ihn wie ein innerer Zwang, er mußte laufen.

Warum gerade heute, warum ausgerechnet in diese Richtung? War es Eingebung, die den alten Hofhund hinaustrieb, dorthin wo die einfachen Häuser standen? Leise, klingende Geräusche drangen aus den Inneren, der wie geduckt dastehenden Bauten. Der auf den Dächern lastende Schnee ließ die Behausungen noch bescheidener wirken, als sie es ohnehin waren. Hier war die Siedlung der “Austragler‘, Arbeitskräfte die Jahrzehnte bei den Bauern ihre Arbeit verrichtet hatten, durften hier ihren Lebensabend verbringen. Für Gelegenheitsarbeiten und kleinere Botengänge wurden sie ab und zu noch herangezogen. Es waren einfache Hütten, mit kleinen Zimmern, die sich die Alten manchmal auch noch teilen mußten, wo die Betagten sich auf ihre letzten Lebensjahre vorbereiteten und wo sie an warmen Tagen, auf den Bänken, die vor den Häusern standen, in Erinnerungen schwelgten. Sie dachten zurück an eine haue Zeit, die den Alten heute jedoch, mit dem Schliff der Vergangenheit, als gut und menschlich erschien.

Viele von ihnen hatten sich zum Weihnachtsfest zusammengetan, denn wer möchte am Weihnachtstag schon allein sein. Es waren nur alte Menschen, die diese Siedlung bewohnten und bei so manchem war der Partner schon vorausgegangen, dorthin, woher wir kommen und wohin wir nach unserem Erdenleben zurückkehren. Anton, der alte Knecht, der sein Lebtag auf dem Hofe von Harro's Herrn gearbeitet hatte, war nicht am gemeinsamen Weihnachtsabend der Alten beteiligt. Er wollte an diesem Tage allein sein und er fühlte sich dabei nicht einsam. Erinnerungen an Menschen und auch an Tiere, die ihm zugetan waren, verschönerten Anton diesen Feiertag, ließen nochmals auferstehen die Stunden der Gemeinsamkeiten.

War es Zufall, war es Bestimmung, die Anton vor das Haus treten ließ, um den weihnachtlichen Himmel zu genießen, die prunkvollen Gestirne zu bestaunen und dabei an die Unendlichkeit, die für uns Menschen ungreifbar ist, von Zeit und Raum zu denken? Wie auch immer, Antons Besinnen wurde durch ein leises “Wuff‘ gestört. Er kannte diesen Laut, das mußte Harro sein, dessen Gestalt, angestrahlt durch Mond und Sterne, sich vom weißen, schneebedeckten Boden abhob. Ein leiser Pfiff, ein kaum merkliches Wedeln der Rute und Harro hinkte auf Anton zu. Der Hund wirkte unendlich traurig, der Lauf durch den Schnee hatte ihn ermüdet. Nichts war mehr da, von der Frische und Kraft, die Harro stets ausgezeichnet hatte. Hier war eine Kreatur, die Hilfe suchend um Nestwärme nachsuchte. Wie selbstverständlich folgte Harro dem Alten ins Haus, etwas das gestern noch unvorstellbar gewesen wäre.

Vielleicht war es der Zauber der Weihnachtsnacht, der Mensch und Tier, beide alt und ausgelaugt, zusammenbrachte. Für beide war es eine Art von erfülltem Weihnachtstraum. Ein Verteilen an Geschenken, das keinerlei Gegenleistung erwartete. Harro, dem Anton vom sowieso kärglichen Festtagsmahl Fleisch angeboten hatte fraß nicht viel. Den Hund zog es nur zum holzbeheizten, eisernen Ofen. Ein wenig mißtrauisch schielte er noch zu Anton, als er sich davor legte. Er zitterte immer noch, denn der eisige Frost hatte sich in Körper und Fell festgeklammert. Eine alte Decke, die Anton über den Hund legte, beruhigte Harro. Das war das, wonach er sich seit Jahren sehnte, wenn der Schmerz wieder einmal durch seinen Körper kroch. Es schien so, als ob der Hund zufrieden vor sich hinbrummelte, als er bald darauf ermattet einschlief. Nach Stunden erschöpften Schlafes, schreckte Harro hoch. Wo war er? Es zog ihn hinaus zur Tür, er mußte zurück zum Hof um seine Pflicht zu erfüllen. Es fiel ihm schwer, denn immer noch fühlte er sich schwach.

Mit festem Griff und doch mit liebevoller Behutsamkeit zog Anton das Tier zurück zur Decke. Ruhig sprach er auf Harro ein, er soll hierbleiben, sich weiter ausruhen. Er, Anton, würde ihren ehemals gemeinsamen Herrn aufsuchen und bitten, Harro ihm zu überlassen. Der alte Hofhund, dessen Leistungsfähigkeit ausgeschöpft war, schien die Worte des alten Menschen zu verstehen. Als ob es nie anders gewesen wäre, folgte er der Stimme seines neuen Herren. Doch Anton, der Harro, mit Hilfe der Weihnachtsstimmung, tatsächlich von seinem Bauern zugesprochen bekam, war niemals ein Herr für den alten Hofhund. Er war stets Harro's Freund, manchmal bestimmend, manchmal nachgebend, so wie echte Freundschaften eben sind. Harro dankte es auf Hundeart. Auch Antons Tage wurden dadurch schöner. Der Tierfreund wird das bestimmt verstehen.

 (von Friedrich Schindler)